Schule auf österreichisch, oder: Was kommt nach dem Deutschlernen?

Zusammenfassung des Vortrags von Bernhard Just, stellvertretender Direktor der Bildungsdirektion Steiermark, am 20. April 2022.

Alleine in der Steiermark gibt es mehr als 800 Schulen, viele mit besonderen Schwerpunkten.

  • Die öffentliche Schule in Österreich ist von hoher Qualität und kostenlos, ebenso die Schulbücher und die Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln in die Schule.
  • Selber zu bezahlen sind: Jause (Snack) und Essen, Nachmittagsbetreuung (Ermäßigung möglich, wenn man wenig Geld hat), Hefte, Stifte, Schultasche, Sportsachen, etc.
  • Es gibt auch private Schulen, für die muss man zahlen, manchmal bis zu 300 oder 400 Euro pro Monat.

In Österreich herrscht Schulpflicht: Sie dauert 9 Jahre, für alle Kinder zwischen 6 und 15 Jahren.

Alter von 6 – 10 Jahren:

  • Im Alter von 6 bis 10 Jahren gehen alle Kinder in die Volksschule. Manche Volksschulen haben mehr Klassen, andere weniger, abhängig von Gemeinde und Gebäude. Man geht in eine Volksschule, die nahe am Wohnort ist.
  • Maximal 25 Kinder sind in einer Klasse. In der Volksschule lernen die Kinder Schreiben und Lesen, Rechnen, Sachunterricht (Biologie, Geografie und Geschichte), sie haben auch bildnerische Erziehung (Malen und Zeichnen), Werken (handwerkliches Basteln), Musik und Sport. Es wird auch ein bisschen Englisch unterrichtet, jedenfalls in der 4. Klasse.
  • Eine Lehrperson unterrichtet fast alle Fächer (außer Werken und Religion), meist begleitet sie die Kinder von der 1. bis zur 4. Klasse.
  • Der Unterricht ist meist vormittags, aber es gibt oft auch die Möglichkeit eines Essens und einer Nachmittagsbetreuung (Betreuung bei Aufgabenmachen und Spiel). Die Nachmittagsbetreuung wird häufig empfohlen, weil die Kinder viel Kontakt miteinander haben und schneller Deutsch lernen. Einige wenige Schulen haben verschränkten Ganztagsunterricht (Lernen und Spielen im Wechsel über den ganzen Tag).
  • Der Preis für Essen und Nachmittagsbetreuung ist je nach Gemeinde unterschiedlich, es gibt auch Sozialtarife, wenn man sehr wenig Geld hat, ist es fast kostenlos. Man kann sich auch dafür entscheiden, nur ein paar Tage pro Woche in der Schule zu essen bzw. bis Nachmittag zu bleiben.

Alter von 10 – 14 Jahren:

Ab jetzt wird jedes Fach von einer eigenen, spezialisierten Lehrperson unterrichtet: Deutsch, Mathematik, Englisch, Physik, Geografie und Wirtschaftskunde, Geschichte, Biologie, Bewegung und Sport, Zeichnen, Werken, Musik, Informatik (IT), später auch Chemie. Religionsunterricht ist freiwillig.

Hier gibt es zwei Schularten, die Schüler aus der Volksschule teilen sich auf:

  • Mittelschule:
    In die Mittelschule können alle gehen, unabhängig von den Schulnoten in der Volksschule. Sie ist meist auch nahe am Wohnort, es gibt viele Mittelschulen.
  • Gymnasium (AHS = „Allgemeinbildende Höhere Schule“): für 10 – 18-Jährige, das Gymnasium schließt mit der Matura (= Reifeprüfung) ab. Diese Matura berechtigt zum Studieren. Man kann auch nur vier Jahre lang ins Gymnasium gehen und dann mit 14 Jahren an eine andere Schule wechseln.

Die Fächer und Inhalte in Mittelschule und Gymnasium sind dieselben, man kann zwischen 10 und 14 Jahren noch in die jeweils andere Schule wechseln, aber:

Die Mittelschule bereitet grundsätzlich auf eine Berufsausbildung vor, das Gymnasium auf ein Studium an der Fachhochschule oder Universität. Mit guten Noten zum Abschluss der Mittelschule ist der Wechsel in jede höhere Schule möglich.

Ins Gymnasium können nur Kinder gehen, die auf der fünfteiligen Notenskala (1 = sehr gut, 5 = nicht genügend) in der Volksschule nur die Noten 1 oder 2 haben. Es gibt ca. 40 Gymnasien in der Steiermark, meist ist der Schulweg weiter.

Ab der 3. Klasse gibt es in der Mittelschule und im Realgymnasium mehr Mathematik und ein neues Fach, „Geometrisch Zeichnen“. Im Gymnasium gibt es alternativ dazu die Möglichkeit, sich auf eine zusätzliche Fremdsprache zu konzentrieren (mit Italienisch, Spanisch, Französisch oder auch Latein). Das Angebot hängt von der Schule ab.

Alter von 14 – 18 Jahren:

Alle Kinder, die eine Mittelschule besucht haben, müssen danach noch mindestens ein Jahr lang die Schule besuchen, erst danach ist die Schulpflicht beendet. Sie haben folgende Möglichkeiten:

  • Die Polytechnische Schule: Dauert ein Jahr, sie bereitet auf die Lehre (= praktische Berufsausbildung) vor.
  • Die AHS („Allgemeinbildende Höhere Schule“): 5. – 8. Klasse am Gymnasium, Matura als Abschluss (die „Oberstufe“ als Fortsetzung der „Unterstufe“, also der Klassen 1 bis 4). Die AHS bereitet auf ein Studium vor.
  • Die BHS („Berufsbildende Höhere Schule“): 1. – 5. Klasse, Matura als Abschluss. Die BHS bereitet auf einen qualifizierten Beruf vor, man kann mit der BHS-Matura aber auch studieren. Fachrichtungen: kaufmännisch (HAK = Handelsakademie), technisch (HTL = Höhere Technische Lehranstalt), pädagogisch (BAfEP = Bundesbildungsanstalt für Elementarpädagogik), wirtschaftlich (HLW = Höhere Lehranstalt für wirtschaftliche Berufe). Von diesen Schulen gibt es nur sehr wenige, meist ein bis zwei pro Region.
  • Berufsbildende Mittlere Schulen, die nur ein bis drei Jahre dauern und nicht mit der Matura abschließen: Hier gibt es folgende Fachrichtungen: land- und forstwirtschaftliche Berufe, wirtschaftliche Berufe, Handelsberufe, Sozialberufe.

Man kann auch nach der Matura noch eine berufliche Fachausbildung machen („Kolleg“).

Lehre („duale Ausbildung“): praktische, oft handwerkliche, aber auch kaufmännische Berufsausbildung. Man lernt im Job und besucht ca. zwei Monate lang im Jahr die „Berufsschule“. Die Lehre dauert 3 bis 4 Jahre. Im Moment ist es für Vertriebene aus der Ukraine schwierig, einen entsprechenden Job („Lehrstelle“) in einer Firma zu bekommen, weil sie vorerst nur ein bis zwei Jahre in Österreich bleiben dürfen.

An den Schulen gibt es Berater:innen für Berufsorientierung, die bei der Wahl der Schule helfen.

Ablauf von Schultag und Schuljahr:

  • Schule ist immer Montag bis Freitag, in der Regel am Vormittag. Samstag und Sonntag sind schulfrei.
  • Je nach Schulstufe (Klasse) gibt es 22 bis rund 30 Stunden Unterricht pro Woche. Eine Schulstunde dauert 50 Minuten, dazwischen gibt es Pausen.
  • In der Oberstufe (14 – 18-Jährige) gibt es öfters auch Unterricht am Nachmittag.
  • Donnerstag, 26. Mai ist ein Feiertag, am Freitag danach ist auch frei – von 26. – 29. Mai ist also keine Schule.
  • Donnerstag, 16. Juni ist auch ein Feiertag, am Freitag danach ist wieder frei – von 16. – 19. Juni ist also keine Schule.
  • Die Sommerferien beginnen in der Steiermark in diesem Jahr am 11. Juli und enden am 11. September. Das neue Schuljahr 2022/23 beginnt mit dem Wintersemester am 12. September. Die Herbstferien 2022 dauern von 27. Oktober bis 2. November, die Weihnachtsferien von 24. Dezember bis 7. Jänner.
  • Das Wintersemester endet am 17. Februar 2023, das nächste Sommersemester beginnt dann am 27. Februar und dauert bis 7. Juli.

Fragen:

Mein Kind ist in die 3. Klasse Volksschule eingestiegen. Steigt es im Herbst in die 4. Klasse auf?

Eher nicht, denn alle Kinder, die noch kein Deutsch können, sind als „außerordentliche Schüler“ in die Schule eingestiegen. In diesem Semester lernen sie nur Deutsch und ein bisschen Mathematik, sie haben auch Sport und Musik oder bildnerische Erziehung. Aber in das Regelsystem können sie erst einsteigen, wenn sie Deutsch können – im Herbst dieses Jahres oder später (ein Wechsel ist dann auch mitten im Jahr möglich, wenn die Deutschkenntnisse es erlauben).

Kann man Kind jede dieser genannten Ausbildungen machen?

Grundsätzlich ja, aber:

  • Für die Regelschule sind ausreichende Deutsch-Kenntnisse notwendig.
  • Für eine Allgemeinbildende oder Berufsbildende Höhere Schule sind gute Noten notwendig. An manchen Schulen gibt es auch ein Auswahlverfahren, oft gibt es mehr Bewerber:innen als Schulplätze. Auch an vielen Unis sind die Plätze knapp und Auswahlverfahren nötig.
  • Eine Lehre ist derzeit kaum möglich, weil die Aufenthaltsdauer für Vertriebene aus der Ukraine begrenzt ist.

Mein Kind hat in der Ukraine bereits die Schule abgeschlossen, ist aber erst 16 Jahre alt. Kann es in Österreich studieren?

Grundsätzlich ja, wenn der Schulabschluss aus der Ukraine da ist, kann man auch mit 16 schon studieren, aber:

  • Der Einstieg in die Schule funktioniert jederzeit, an der Uni geht es nur zu Beginn des Herbst- oder Frühjahrssemesters. Wenn man im Herbst an der Uni inskribieren möchte und noch nicht 18 Jahre alt ist, kann man inzwischen ein Gymnasium oder die 9. Schulstufe an einer anderen Schule besuchen und hier Deutsch lernen und sich auf das Studium vorbereiten.
  • Der Einstieg erfolgt über den „Vorstudienlehrgang“ (in der Regel zwei bis vier Semester): Hier wird Deutsch gelernt und fehlendes Wissen nachgeholt (die Uni entscheidet, ob sie den Abschluss aus der Ukraine anerkennt oder Ergänzungen fordert). Erst mit Niveau B 2 in Deutsch darf man dann regulär studieren. Aber es gibt auch Unis mit Englisch als Unterrichtssprache.
  • Jugendliche, die in der Ukraine fast fertig sind mit der Schule, können den Abschluss Online in der Ukraine machen.
  • Vertriebe aus der Ukraine zahlen derzeit keine Uni-Gebühren. Es gibt auch Stipendien.

Für das Herbstsemester an den Unis laufen gerade überall Informationsveranstaltungen:

https://openhouse.uni-graz.at/de/

https://events.uni-graz.at/de/detail/article/online-tag-der-offenen-tuer-2021/

www.tugraz.at/tu-graz/services/news-stories/tu-graz-events/eventdetails/article/online-tag-der-offenen-tuer-2022/

https://www.medunigraz.at/en/a-future-student

www.unileoben.ac.at/en/

www.fh-joanneum.at

www.kug.ac.at/en/

www.campus02/at/

Gibt es auch Schulen für Kinder mit Behinderungen?

Nur ganz wenige Spezialschulen, z.B. für Gehörlose oder Blinde. In der Regel werden Kinder mit Behinderung „inklusiv“ unterrichtet, also in der Regelschule, mit Assistenzpersonal. Im Einzelfall entscheidet die steirische Bildungsdirektion, was möglich ist. Für den Transport in die Schule, etwa von Kindern im Rollstuhl, ist die Gemeinde zuständig. Die Schule weiß meist, was hier möglich ist

Kindergarten in Österreich:

  • Für Kinder unter 3 Jahren gibt es die Kinderkrippe (kleine Gruppen, mehr Personal).
  • Für 3 – 6-Jährige gibt es den Kindergarten.
  • Es gibt auch Tagesmütter, die 3 – 6 Kinder bei sich zu Hause betreuen.
  • Kinderkrippe und Kindergarten und Tagesmutter kosten etwas, aber viele Gemeinden und private Träger (z.B. Kirchen) ermöglichen es Vertriebenen aus der Ukraine, kostenlos Kinderkrippe und Kindergarten zu nützen, wenn ein Platz frei ist.
  • Ein Jahr lang, im Alter von 5 – 6 Jahren, gilt Kindergartenpflicht, dieses Jahr ist gratis: Das ist wichtig – die Kinder lernen Deutsch, sie bereiten sich auf die Schule vor, lernen in Gruppen miteinander zu arbeiten, miteinander auszukommen, den Stift richtig zu halten, die Schuhbänder zu binden, etc.
  • Es gibt unterschiedliche Öffnungszeiten und in manchen Kindergärten schlafen die Kinder zu Mittag, in anderen nicht.
  • Plätze sind knapp: Suchen Sie Hilfe, wenn Sie nicht weiterkommen.
  • Manche Kindergärten haben auch im Sommer geöffnet.
  • Jede Gemeinde hat eine Musikschule, aber die kostet etwas. Es gibt aber Stipendien, oft übernehmen auch Vereine die Kosten.

Jobs in Kindergarten oder Schule:

Wenn Sie in der Ukraine schon in pädagogischen Einrichtungen gearbeitet haben sich auf Englisch oder Deutsch in Österreich verständigen können, können Sie sich sofort um eine Anstellung als Lehrperson für ukrainische Kinder in Österreich bewerben: https://www.bildung-stmk.gv.at/

Wenn Sie ehrenamtlich (ohne Bezahlung) ukrainische Kinder vor allem in der Volksschule oder im Kindergarten unterstützen wollen, können Sie sich ebenfalls hier bewerben: https://www.bildung-stmk.gv.at/

Wenn Sie eine psychologische Ausbildung haben und ukrainische Kinder in der Schule oder im Kindergarten unterstützen möchten, melden Sie sich bitte bei Herrn Just: bernhard.just@bildung-stmk.gv.at

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